Grunderwerbsteuer: Höhe der Gegenleistung

  • Grunderwerbsteuer

Es liegt keine grunderwerbsteuerbare Gegenleistung des Grundstückskäufers vor, wenn er vom Verkäufer die Verpflichtung übernimmt, noch zu errichtende Wohnungen zu einer verbilligten Miete an Dritte zu überlassen. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese Vereinbarung im Rahmen eines öffentlichen Wohnraumfördermodells erfolgte und im Rahmen des Gesamtkonzepts zugleich zinsgünstige Darlehen gewährt werden.

Praxis-Beispiel:
Die Klägerin schloss mit der Verkäuferin am 27.5.2015 einen notariell beurkundeten Vertrag über den Kauf von seinerzeit noch unbebauten Grundstücken. Es wurde ein vorläufiger Kaufpreis in Höhe von 2.744.729,90 € vereinbart, der mit notarieller Urkunde vom 24.2.2016 für endgültig erklärt wurde. Darüber hinaus übernahm die Klägerin die Verpflichtungen aus einem städtebaulichen Vertrag mit der Stadt zur Herstellung geförderten Wohnraums. In dem Vertrag verpflichtete sich die damalige Grundstückseigentümerin insbesondere zur teilweisen Bebauung der Grundstücke im Wege des geförderten Wohnungsbaus mit einer Bindungszeit von 25 Jahren. Teil dieses Konzepts zur Herstellung von gefördertem Wohnraum ist, dass sich der Bauherr zur verbilligten Vermietung an von der Stadt benannte Personen verpflichtet und im Gegenzug zinsgünstige Darlehen und Zuschüsse erhält.

Das Finanzamt hatte zunächst einen Grunderwerbsteuerbescheid erlassen, in welchem die Grunderwerbsteuer von der Bemessungsgrundlage 2.744.729 € in Höhe von 96.065 € festgesetzt wurde. 2016 erließ das Finanzamt einen geänderten Grunderwerbsteuerbescheid, in dem es die Verpflichtung der Klägerin zur verbilligten Vermietung des geförderten Wohnraums als sonstige Leistung der Bemessungsgrundlage hinzurechnete. Zu diesem Zweck kapitalisierte es die Differenz der verbilligten Miete zur ortsüblichen Miete. Die Grunderwerbsteuer wurde auf 239.281 € festgesetzt.

Bei einem steuerpflichtigen Grundstückskaufvertrag bemisst sich die Grunderwerbsteuer grundsätzlich nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung gilt u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Als sonstige Leistungen sind alle Verpflichtungen des Käufers anzusehen, die zwar nicht unmittelbar Kaufpreis für das Grundstück, aber gleichwohl Entgelt für den Erwerb des Grundstücks sind. Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung müssen kausal verknüpft sein. Zu den "sonstigen Leistungen" gehört auch die Übernahme von Verpflichtungen des Veräußerers durch den Erwerber. Voraussetzung ist allerdings, dass die Verpflichtung bereits in der Person des Veräußerers entstanden ist.

Das ist hier nicht der Fall, weil die Verpflichtung der Klägerin zur verbilligten Vermietung rechtlich bindend erst in den Förderbescheiden erfolgte, die die Stadt gegenüber der Klägerin erließ. Im vorherigen städtebaulichen Vertrag befand sich insoweit nur ein Hinweis auf diese spätere Förderentscheidung. Es liegt hinsichtlich der Verpflichtung der Klägerin zur verbilligten Vermietung keine Gegenleistung im Sinne des § 9 GrEStG vor. Es mangelt bereits an dem Erfordernis, dass die Klägerin durch den Kaufvertrag eine ursprünglich bereits bei der Verkäuferin bestehende Verpflichtung übernommen hat. Vielmehr ist die Verpflichtung zur verbilligten Wohnraumüberlassung erst später originär bei der Klägerin entstanden.

Aber auch dann, wenn man von der Feststellung des Finanzgerichts ausgeht, dass die Klägerin von der Verkäuferin eine bereits im städtebaulichen Vertrag vereinbarte Verpflichtung zur verbilligten Wohnraumüberlassung übernommen hatte, liegt ebenfalls keine sonstige Leistung der Klägerin vor. Die kapitalisierte Differenz der verbilligten Miete zur ortsüblichen Miete kann daher bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer nicht einbezogen werden.

Quelle:BFH | Urteil | II R 26/21 | 22-11-2022